In Serbien - Teil 1
07.06.2018
Letztes Jahr machte sich ein Teil unserer Gang auf Pilgerfahrt ins Land der brassigen Balkanmusik: nach Serbien! Heute sollt ihr ein paar Einblicke dieser Reise erhalten, denn sie hat uns viele Impulse für das Debutalbum gebracht. Viel Spaß!
Belgrad - Es wird heiß
Unser erster Anlaufpunkt war die Hauptstadt Belgrad. Nach schier unendlichen Stunden im Bus bzw. Zug erreichten wir das erste Anlaufziel, die Hauptstadt Belgrad. Unser erster Gedanke war: „Wir schmelzen!“, denn die Reisezeit Juli/August war nicht unbedingt durchdacht gewählt worden. Somit hielten wir die ersten Stunden zunächst völlig knülle im Schutz der Bäume und im Hostel Nickerchen. Zum Glück war in der Unterkunft „Cooking not allowed“, und weil auch „Romance“ nicht gestattet war, konnte es in den Räumlichkeiten nicht all zu heiß werden.
Ankunft in Belgrad
Abends begaben wir uns schließlich auf die Pirsch durch die Stadt und trafen uns mit einem alten Reisefreund von Seppl: Tica, der sich während unseres Hauptstadt-Aufenthalts als unterhaltsamer Gastgeber herausstellte und uns für den nächsten Tag zu sich einludt. Auf dem Weg zu seiner Wohnung kamen wir, begleitet von funky Akkorden aus Alex Hand, an prachtvollen Jugendstil- und zweckmäßigen Sovjietgebäuden vorbei, welche in Belgrad wie selbstverständlich nebeneinander stehen und ein vielfältiges Stadtbild ergeben. Auch in der Wohnung von Tica fühlte man sich ein wenig wie in eine andere Zeit versetzt.
Wir verbrachten mit ihm den Tag; aßen, tranken und tauchten mit ihm in erste musikalische Gefilde ein: z.B. in bekannte Volkslieder wie ‚Mito bekrijo‘ und ‚Ajde Janoum‘, um nur zwei zu nennen. Zumeist sehr melancholisch-traurige Lieder, die uns tief berührten. So saßen wir, während eines kühlenden Gewitters und mit Blick auf die Dächer Belgrads zusammen.
Tica vermittelte uns auch unseren allerersten Auftritt in Serbien. Am gleichen Abend spielten wir ein äußerst ungewöhnliches Mini-Konzert in der Frank-Zappa-Bar. Melankas Gesang wurde mit dem obligatorischen serbischen Hall ausgestattet, auf die Gitarre konnte der Soundtechniker anscheinend verzichten und Stefans Reisequetsche wimmerte nach der langen, qualvollen Reise leise vor sich hin.
Trotzdessen war es ein lustiger Abend und guter Start der Reise. Für den folgenden Tag planten wir schon die Weiterfahrt zur Studentenstadt Niš, denn unser eigentliches Ziel war noch lange nicht erreicht.
Niš - Eine Saitenaffäre
Mit dem Zug fuhren wir weiter Richtung Süden. In Niš stießen zur bisherigen Reisegruppe noch Matze und Magda dazu. Den ersten Abend verbrachten wir in einer Musikkneipe und lauschten der epischen Performance einer Covergruppe. Tags darauf verabredeten wir uns für eine erste Probe im naheliegenden Park, wo wir uns neben der Schach spielenden Rentnerfraktion niederließen. Schon nach wenigen Tönen scharrte sich eine interessierte Meute um uns herum und kurzentschlossen wurde aus der gedachten Probe ein schönes Straßenkonzert.
Proben in Niš
Beschwingt von unserer Musik, fuhr ein älterer Herr direkt nach dem Konzert davon und kam mit Bier und Popcorn für uns zurück. Eine von vielen Situationen, bei denen wir die serbische Herzlichkeit genießen konnten.
Im Schutz der kühlen Dämmerung hatten wir außerdem noch eine andere Verabredung: ein örtlicher Musiker wollte uns kennen lernen. Gegenüber der historischen Festung, am Ufer des Nišava, versammeln sich allabendlich viele junge Menschen, um gemeinsam Musik zu machen. Virtuos und mit einer unglaublichen Fingerfertigkeit messen sich dort die Gitarrenspieler, daneben nicken die Metal-Fans an ihren kleinen Lautsprechern und mittendrin saß unsere Gruppe mit ihren Instrumenten. Es war also ein buntes Treiben auf dem Platz und vor allem Alex wurde von den Einheimischen Musikern bedrängt, etwas auf den Saiten zu zupfen. Die hatten übrigens ihre wahre Freude daran, sich über die kleine Reisegitarre zu amüsieren.
Viel länger als 2 Tage wollten wir uns trotzdem nicht in der Stadt aufhalten, da sie uns kulturell nicht in ihren Bann zog. Außerdem hatten wir von unserem Balkanexperten Tino vor der Reise einen heißen Tipp bekommen: in Vladičin Han sollen sich viele Blaskapellen tummeln, darunter die Besten der Besten, welche schon mehrfach beim größten Trompetenfestival in Guča gewonnen haben. Für unsere Band also der ideale Ort, um sich neue Inspiration zu holen. Es hieß also „Auf nach Vladičin Han!“
Fahrt nach Vladičin Han
Vladičin Han - Die Perle des Südens
Die Fahrt bis nach Vlad (um es abzukürzen) dauerte mehrere Stunden. Das serbische Bahnnetz ist zwar gut ausgebaut, die Züge sind jedoch mit einer außerordentlichen Gemütlichkeit unterwegs, sodass man für eine Strecke von knapp 100km gut und gerne auch 3 - 5 Stunden Fahrt in Kauf nehmen muss. Aber das waren wir von unseren vorherigen Reisen in Rumänien und der Ukraine schon irgendwie gewohnt und zudem hatten wir alle Zeit der Welt.
Kurz vor dem Ziel änderte sich merklich die Landschaft. Die weiten Landschaften wichen zerklüfteten Bergrücken und Tunnelabschnitten. In Vlad angekommen wussten wir zunächst nicht so recht, wie es weiter gehen soll. Die Stadt ist zwar nicht groß, aber wir hatten keinerlei Kontaktpunkte wie an den vorherigen Orten. Nach einem eher unbefriedigendem Besuch beim örtlichen Italiener (bei dem Hannes Fußnägel wahrscheinlich im weiten Bogen abgesprungen wären...), wollten wir es noch einmal mit Straßenmusik versuchen. Der Uhrzeit verschuldet hatten wir nur 4 Zuschauer, aber bessere hätten wir nie haben können: es waren Festivalorganisatoren. Igor und sein Kumpane waren so von unserer Musik begeistert, dass sie sich nicht nur um eine Unterbringung für uns kümmerten, sondern uns auch für ihr Festival engagierten wollten. Dies war der Beginn eines großen Abenteuers!
Die nächsten Tage zelteten wir auf dem Gelände des örtlichen Freibades. Ganz in der Nähe war das Gemeindezentrum von Vlad, aus dem wir am zweiten Tag nach unserer Ankunft vielversprechende Laute hörten. Innen probte das Bojan Ristić Orchestra. Da wir gern mit einer solchen Band gemeinsam spielen und von ihnen lernen wollten, fingen wir sie ab und baten um gemeinsames musizieren. Entweder hatten sie darauf keine Lust oder sie haben es etwas falsch verstanden, denn aus dem gemeinsamen spielen wurde ein kleines Battle: serbische Knaller vs. Leipziger Balkan-Klezmer-Borschtsch.
Wenigstens einer kam danach zu einem Lehrer: Seppl hatte sich einen sehr hartnäckigen Trommler angelacht (den ‚Maestro‘), der uns später noch oft besuchen sollte, um diverse Schlagtechniken an der Goc zu demonstrieren.
Unser lieber Freund Igor hatte unterdessen noch andere Überraschungen für uns auf Lager. Ganz nebenbei ließ er seine Bekanntschaft zu Boban Marković verlauten und das er ein Treffen mit ihm arrangieren könnte: Seppl schwebte im siebten Himmel! (zu seiner Schande muss ein Großteil der Band gestehen, dass sie den Namen vorher noch nicht gehört hatte... von wegen Balkanband *chrm*). Am nächsten morgen war es dann soweit und Boban kam für einen morgentlichen Espresso zu uns. Es war 8Uhr morgens und Josi „not amused“ - aber egal, wir versuchten unser Bestes, mit ihm einen Plausch zu halten. Das gestaltete sich auf Grund seiner nicht vorhandenen Englischkenntnisse dann doch etwas schwierig, aber zum Glück hatten wir Magda, die ein wenig übersetzen konnte. Und wer kann schon von sich behaupten, im Schlafanzug neben einem der besten serbischen Trompeter ein Foto gemacht zu haben:
Morgens mit Boban Marković
Später hatten wir noch ein Erlebnis besonderer Art. Von weitem konnten wir wieder liebliche Obertöne vernehmen und machten uns sofort auf den Weg, die Quelle dessen zu suchen. Bald entdeckten wir eine Hochzeitsgesellschaft, welche, begleitet von einem Orchester, die Stadt zur Kirche entlang lief.
Wir folgten dem Zug (und hatten dabei größten Respekt vor den Musikern: bei 40° ein Sousaphon den Berg hochschleppen ist nicht Ohne) und trafen schließlich auf Bojan Krstić und sein Orchester. Während in der Kirche die Trauung vollzogen wurde, traten wir in Kontakt mit den Musikern. Zum Glück konnten wir auf unseren gemeinsamen Freund Tino eine erste Verbindung aufbauen. Danach begleitete die Band das Paar wieder feierlich Richtung Tal.
Für den Nachmittag hatte uns Bojan zu sich nach Hause eingeladen. Der Hausflur war vollgestopft mit Auszeichnungen und goldenen Trompeten, die das Ensemble in Guča gewonnen hatte. Josi kam an diesem Nachmittag endlich in den Genuss einer kurzen Einführung in serbische Klassiker und durfte sogar auf einem von Bojans Instrumenten spielen!
Als Dankeschön haben wir für die Musiker ein Konzert auf der Terrasse gegeben. Neben Bojan und seinen Kollegen tummelten sich bald sämtliche Nachbarn um das Haus und spendeten wohltuenden Applaus.