Nach langen erstarrenden Jahren kam in uns aus tiefster Seele das leidenschaftliche Verlangen hervor, neue Erfahrungen des Lachens, des Weinens und des Liebens gemeinsam mit fernen, aber doch in unserem Herzen und der Musik sehr nah verbundenen Menschen auf einer inspirierenden Reise zu erleben. Die Wahl fiel für uns im Jahr 2022 auf Bulgarien.

Wir spürten lange vorher Wellen an Neugier, etwas über die musikalischen Traditionen beschwingt gebrochener Takte und mystisch schwebender kleiner Sekunden zu lernen. Wir wollten das Leben der Menschen, deren Beisammensein und den hinter der Musik verborgenen alten Geist erspüren.

Nach einer viel zu langen Busreise brauchten wir ein Weilchen, um in Sofia unsere Kräfte zu regenerieren. Auch erprobten wir in unserer Besetzung und mit vollgestaubten Reiseinstrumenten manche unserer Lieder und Seppel bekam gleich Unterricht auf der Tapan. Zügig zog es uns dann weiter ins Landesinnere, wo der tobende Stadtlärm sich auflöst und Raum genug ist, um die erklingenden bulgarischen Schätze zu hören. Plötzlich waren wir Passagiere in der Rhodopenbahn und tuckerten mit satten 30 km/h duch das Rilagebirge Richtung Süden Bulgariens. Spontan kamen wir durch ein sich gewaschenes Eisbrecher-Konzert mit sehr ähnlich begeisterten und neugierigen Reisenden in Kontakt, die uns wärmstens ein Festival empfohlen haben: Pirin Pee.

Zwischen den Rhodopen, dem Pirin- und dem Rilagebirge fand jenes Festival statt und bestand aus mehreren Bühnen, auf denen in traditionellen Trachten gekleidete Menschen aus entlegensten Dörfern ihre zum Teil sonst nur in den Herkunftsgebieten gesungenen Lieder voller Stolz und Anmut vortrugen. Was für eine farbige Welt könnte man entdecken, mit bulgarischem Sprachverständnis den Witz und die Weisheit all dieser alten Lieder inhaltlich zu begreifen...

Nach einem großen Regensturz gab es auf einem Feld ein riesigen Tanzkreis, der die Musiker und weitere Performances umschloss. Eh man sich versieht, ist man auch teil dessen und stolpert die Schritte mit eigenem Lerntempo hinterher und darf eine wirklich sonderbare Verbundenheit miterleben, die mit dem Herzschlag eines Tapanspielers getragen und mit einer Zurna fast hypnotisch heraufbeschworen wird. Den Abend ließen wir gemütlich in Bansko mit einem Rockkonzert und einem Klezmerquartett, welches sehr spannend arrangierte Abba-Cover vortrug, ausklingen. Am nächsten Tag des Festivals brachten wir unsere Instrumente mit und gesellten uns an den Nachbartisch einer singenden Gruppe von älteren Männern. Schnell entwickelte sich eine neugierige und einladende Stimmung, woraus ein abwechselndes Vorstellen unserer jeweiligen Musik stattfand.

Freudig staunend genossen wir diese Augenblicke, jener nahen Verbindungen und zelebrierten die Eindrücke des Festivals nach dessen Abbau auf eben jenem Gelände, was am frühen Abend schon völlig Menschenleer war. Wir saßen an einem gemütlichen Lagerfeuer, tauschten uns rege aus, schwelgten und träumten uns in die ohne Gleichen sternklare Nacht.

Nach ein paar Tagen Entspannung und Nachspüren in Razlog wollten wir bald zu einem zweiten Festival in Koprivshtitsa aufbrechen. Dieses Festival hat uns wahrlich verzaubert. Entlang des Dorfbachs erstreckte sich eine ewig lange Straße, mit Handelsständen gefüllt von bunten, staubig alten, traditionellen, wunderschönen und leckeren Dingen, die alle fleißig verhandelt und gekauft werden wollten. Nachdem wir unsere Zelte häuslich eingerichtet haben, spazierten wir zügig den Berg hinauf, wo die sieben Bühnen zu finden waren, welche auch wie in Pirin Pee von Musizierenden naher und ferner Dörfer bespielt, besungen und betanzt wurden.


Des Nachts, nachdem die Stände ihr Tagesgeschäft beendeten, erwachte ein sonderbares Treiben im Dorf. Aus allen Richtungen ertönte anregend und verlockende Musik aus Bulgarien, (Nord-)Mazedonien, Griechenland, ... Besonders eindrücklich war ein Konzert von dem Brussels Balkan Orchestra, welches wie ein Magnet sehr viele Menschen heranlockte. Wunderschön war zu sehen, wie die Menschen ihre Freude am Musizieren nicht nur auf der Bühne zeigten, sondern danach noch bis in die Morgenstunden hinein zelebrierten. Eine unglaubliche Stimmung brachte dieser Abend hervor und hat uns nachhaltig sehr inspiriert, jene Musik auch in Leipzig über die Batiar Gang hinaus zu feiern, zu preisen und deren tiefen Botschaften zu leben.

Bepackt und randvoll gesättigt mit Eindrücken und neuen Ideen, fand nun langsam die Bulgarienreise ein Ende. In Plovdiv spielten wir Sonntag spätabends noch ein wunderschönes Konzert vor einer art Bar für Bierspezialitäten namens „Beer Therapy“. Unendlich dankbar sind wir über die neuen tiefen Freundschaften. Wir vermissen euch Miki, Atanas, Maria, Nikolas, Filip! Wir schwelgen mit einem inneren Grinsen um die schöne Zeit, die Herzlichkeit, die neuen Klänge, den frischen Wind und die Sehnsucht.
Die Rückreise startete am Folgetag in Plovdiv.

... nicht jedoch für Tony und Stefan: sie gaben ihrer Sehnsucht nach, weiter gen Süden zu düsen und schipperten auf die Insel Samothraki. Diese Abenteuer erzählen sie aber gern auf Anfrage nach einem Konzert oder an einem Lagerfeuer.